Pflegehinweise für Gemälde

Die Präsentation von Kunstwerken unter Museumsbedingungen ist im privaten Umfeld kaum durchführbar und sicherlich auch nicht erstrebenswert. Einfache Grundregeln können jedoch Bedingungen schaffen, die eine dauerhafte und stabile Erhaltung der Kunstwerke ermöglichen.
Dieser Artikel versteht sich als praktische Hilfestellung zum Umgang mit Kunstwerken.
 

Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Beleuchtung

Leinwandgemälde reagieren äußerst sensibel auf Veränderungen ihrer Umgebung. Wechselnde Temperaturverhältnisse, einhergehend mit steigender oder sinkender Luftfeuchtigkeit führen zu direkten Dehn- und/oder Schrumpfvorgängen der Malmaterialien. Die Spontaneität dieser Bewegungen und ihre sichtbare Auswirkung läßt sich eindrucksvoll an Gemälden mit geringer Leinwandspannung beobachten, die mit einsetzender Heizung im Tagesverlauf wieder hohe Spannung erlangen.
Vergegenwärtigt man sich den maltechnischen Aufbau eines Bildes – textiler Bildträger, mehrere Grundierungsschichten, Sperrschichten, Unterzeichnungen, eine verschieden starke Malschicht und Schutzüberzüge (Firnisschichten) –, wird die enorme Belastung aller Einzelkomponenten verständlich. Jedes Material im Verbund besitzt, je nach Zusammensetzung und Alter, die Fähigkeit, gewisse Materialbewegungen durchzuführen beziehungsweise zu kompensieren. Durch diesen individuell definierten Dehnungskoeffizienten können die Werkstoffe im ungünstigsten Fall gegeneinander wirken und, je nach Häufigkeit und Extremata, auch dauerhafte Veränderungen und Schäden provozieren.

Abb.1: Kleines Thermohygrometer (Foto: M. Pracher)
Abb.1: Kleines Thermohygrometer (Foto: M. Pracher)


Es setzt eine verstärkte Rißbildung (Alterscraquelé) ein, es kommt zu Erhebungen und zu Blasenbildung in der Malschicht, die nicht selten in Ausbrüchen enden.
 

Richtwerte

Die häufig postulierten Richtwerte zu Beleuchtung, Temperatur und Luftfeuchtigkeit von Gemälden, mit Beleuchtungsstärke von maximal 150 LUX (Lichtmenge pro m2), Temperatur zwischen 18° C und 20° C und Luftfeuchtigkeit zwischen 55 bis 60 Prozent rF (relative Luftfeuchtigkeit) sind zwar nicht vorbehaltlos auf alle Leinwandgemälde
übertragbar, geben aber einen guten Richtwert für zu Hause an. Praktisch umgesetzt bedeutet dies, ein Gemälde darf nicht zu warm, nicht zu trocken und nicht zu hell hängen. Vor allem sollten zu häufige Wechsel der klimatischen Umgebung vermieden werden. Das Bild sollte also nicht in direkter Nähe einer Heizung, eines Kamins, der Haus- oder Balkontür, eines Fensters gehängt werden. Gar nicht zu reden von direkten Feuchtequellen wie Kaffeemaschinen, Wasserkochern oder gar Badezimmern.
In der winterlichen Heizperiode sollte man die Raumluft zusätzlich befeuchten, etwa mit Wasserschalen oder Feuchtpflanzen. Kleinere Luftbefeuchtungsgeräte sind bereits für unter 100 € im Handel. Einfache Meßgeräte für Temperatur (°C) und Luftfeuchte (% rF) liegen bei ca. 20 €. Mit einer Größe von vier mal fünf Zentimetern lassen sich solche Kleingeräte problemlos in der Umgebung des Bildes plazieren.

Photo # 2: Clear, light cracking on the left frame area through the back of the frame’s shank.


Das Alterungsverhalten eines Bildes bestimmt neben den oben erwähnten Faktoren die Wasserdampfdurchdringung der Malschicht und Leinwand. Die Wand, auf der das Bild hängt, ist in der Regel (temperierte Wände ausgenommen) immer kälter und feuchter als die Raumluft im Zimmer. Liegt ein Gemälde nun direkt auf der Wand auf, kommt es zu einem permanenten Austausch zwischen der kälteren und feuchteren Luft hinter dem Bild sowie der wärmeren und trockeneren Raumluft. Es findet bildlich gesprochen ein dauerhafter Luftzug durch Craquelérisse in Grundierung, Malschicht und Überzüge statt.
Dieser Luftstrom provoziert Materialbewegung und somit die Craquelébildung (Rißbildung). Die Risse werden durch mitgetragenen Staub verschmutzt und treten deutlicher hervor. Die Leinwand baut sich stärker ab. (Durch den erhöhten Sauerstoffluß wird die Leinwandoxidation beschleunigt. Rückseitig markieren sich die vorderseitigen Craqueléverläufe als dunkle Umrisse. Die Leinwand wird spröde und brüchig.)
Bei älteren Gemälden wird diese Reaktion durch ein verändertes Rißbild der Malschicht entlang der Rahmenschenkel deutlich. In den Bereichen, in denen die Leinwand rückseitig durch Stütz- oder Keilrahmen verdeckt ist, kann die Wasserdampfdiffusion nicht in vollem Umfang stattfinden. Die Rißbildung ist dort deutlich geringer.
Diesen Effekt erzielt man mit einem Rückseitenschutz. Die Rückseite des Gemäldes umschließt eine säurefreie Kartonage, die man auf den Rahmen schraubt. Sie schützt das Bild zusätzlich vor rückseitiger Verschmutzung und vor mechanischen Einwirkungen wie Druck und Stößen.
Ist ein Rückseitenschutz nicht oder momentan noch nicht möglich, so kann ein Abstandhalter zur Wand (z. B. aufgeklebte Korken) die Wasserdampfdiffusion erheblich reduzieren, da nun eine direkte Luftzirkulation hinter dem Bild möglich ist.
Von grundlegender Wichtigkeit ist die Beleuchtung des Gemäldes. Direktes Sonnenlicht führt zu einer extremen Erwärmung der Oberfläche und kann durch die hochenergetische UV-Strahlung zudem photochemische Prozesse auslösen, die zu einer Veränderung lichtempfindlicher Pigmente oder Farbstoffe in der Malschicht, etwa Ausbleichung oder Verbräunung, führen (zum Vergleich: die empfohlene Beleuchtung eines Gemäldes liegt bei maximal 150 LUX. Direktes Sonnenlicht zeichnet mehrere 10 000 bis 100 000 LUX).

Photo#3: Cardboard back support offers protection against damages and dirt. It regulates air vapor diffusion as well. (Photo credit: M.Pracher)


Die landläufige Meinung, eine Glas oder Fensterscheibe könne bis zu 90 Prozent der UV-Strahlung blocken, stimmt nur bedingt. Tatsächlich wird nur die UV-B-Strahlung weitgehend abgehalten, wogegen die reaktivere UV-A-Strahlung die Malfläche fast ungehindert erreicht. Bei verglasten Gemälden kann sich bei direkter Erhitzung zum Beispiel durch wanderndes Sonnenlicht oder durch Lampenwärme Kondenswasser zwischen Bild und Scheibe bilden.
Normales Licht (Tageslicht, Glühbirne, Halogenlicht, Neonlicht etc.) kann auch schon einige Werkstoffe schädigen. Abhängig ist dies von der individuellen spektralen Empfindlichkeit. Neben der Beleuchtungsstärke spielt die Beleuchtungsdauer ebenfalls eine entscheidende Rolle. So wirken tausend Stunden mit 150 Lux genauso auf die Farbschicht wie 150 Stunden bei 1000 Lux.
Spotlights oder Gemäldeleuchten sollte man nur dann anstellen, wenn diese keine direkte Wärmestrahlung auf das Bild abgeben. Abgesehen davon sind wechselnde Lichtverhältnisse und Beleuchtungssituationen für ein Kunstwerk durchaus reizvoll.
 

Verglasung und Vitrine

Eine Verglasung schützt ein Gemälde vor schädlichen, äußeren Einflüssen. Sie hält Oberflächenverschmutzungen ab und unterbindet die direkte Berührung der Malschicht. UV-Filter auf oder in der Scheibe beugen einer Lichtschädigung vor. Entspiegelte Gläser sind heute kaum noch sichtbar. Aus ästhetischer Sicht stellt eine Verglasung aber auch immer eine Barriere zwischen Betrachter und Bild dar. Sie erschwert die direkte Kontaktaufnahme, weil das Kunstwerk im wahrsten Sinne des Wortes „unzugänglich“ wirkt.
Hängevitrinen geben einem Werk einen, im positiven wie im negativen Sinn, starken Objektcharakter. Luftdichte Verglasungen sind aus konservatorischer Sicht dann problematisch, wenn ein Binnenklima mit Treibhauseffekt entsteht und Feuchtigkeit nicht entweichen kann (siehe: Bildung von Kondenswasser).
 

Pflegemaßnahmen

Durch kleine Öffnungen im Rahmen kann ein sogenannter Kaminzug entstehen, der mit kontinuierlichem Luftstrom Staubpartikel ins Innere transportiert. Diese Staubkanäle manifestieren sich als dunkle, diffuse Linien auf dem Kunstwerk.
Oberflächenreinigungen am Gemälde sollte grundsätzlich ein Fachmann ausführen. Altbekannte und tatsächlich immer noch verwendete Hausmittel wie das Abreiben des Bildes mit einer Speckschwarte, einer geschnittenen Zwiebel oder frischem Brot sollte man doch lieber unterlassen. Denn schon durch eine sehr vorsichtige feuchte Reinigung, zum Beispiel mit einem Fensterleder, könnte es zu unmittelbaren Veränderungen im Bild kommen. Die direkte Feuchtigkeit kann schnell durch das Craquelé (Rißformationen) dringen und Schichten im Bild oder den textilen Träger anweichen.
Firnisschichten können „blind“ und undurchsichtig (Firniskrepierung) werden, wenn sich in ein (vorhandenes) Mikrocraquelé freies Wasser einlagert und zu einer veränderten Lichtbrechung führt.
Falls sich Staubpartikel auf der Bildoberfläche angelagert haben, sollte man diese mit einem sehr weichen Pinsel (z. B. Dachshaarpinsel) abkehren. Staubtücher sind gänzlich ungeeignet, da sie sich leicht mit Malschichtschollen verhaken und diese mit sich reißen.
 

Transport

Jeder Transport bedeutet eine extreme Belastung für das Kunstwerk. Abgesehen von den klimatischen Veränderungen, sind es oft mechanische Beeinträchtigungen, wie die Vibration der Leinwand oder Stauchungen und Dehnungen durch Platzmangel im Transportfahrzeug. Idealerweise erfolgt der Transport des Gemäldes stehend, richtig herum und in Fahrtrichtung. „Stehend und in Fahrtrichtung“ deshalb, weil so die Vibrationen der Leinwand am geringsten sind. „Richtig herum“, also nicht kopfüber oder querliegend, da nur in dieser Position die eingespielten Spannungsverhältnisse der Materialien zueinander greifen. Falls ein Transport in dieser Form aus Platzmangel nicht möglich ist, sollte das Bild zwischen zwei Kartonagen stehend auf dem Rücksitz (angegur

Abb.0: Rückseitiger Aufkleber auf einem Gemälde, Mitte 20. Jh.


tet) befördert werden. Bei lockerer Malschicht kann man das Gemälde auch in den Kofferraum legen (Bildseite nach oben).
Auf Decken oder Tücher als Verpackungsmaterial sollte man verzichten, da hier wieder die Gefahr einer Verhakung und Bereibung der Malschollen vorliegt. Für die Transportverpackung eignet sich Packpapier oder Luftpolsterfolie. Bei der Luftpolsterfolie müssen die Lufttaschen außen liegen, denn die „Noppen“ können Glanzpunkte auf den Bild- oder Rahmenflächen hinterlassen.
Nach Möglichkeit sollte man die Transportwege kurz halten, und am besten wählt man für die Beförderung eine Tageszeit, die keine zu großen Unterschiede zu den klimatischen Bedingungen des Kunstwerks im Haus mit sich bringt.
M. Pracher, 2002