Tafelbild und Skulptur

Holz findet als sehr dauerhaftes und stabiles Werkmaterial seit Jahrhunderten in der Bildenden Kunst Verwendung. Ob plastisch als Skulptur oder in der Ebene als Bildträger bei Tafelgemälden unterliegt das Kunstwerk komplexen Materialvorgängen die nicht selten zu gravierenden Schäden führen können. Anhand von Beispielen werden einige bekannte Phänomene näher beleuchtet und erklärt.

Abb: Aufbau des Holzes
Abb: Aufbau des Holzes

Der Werkstoff Holz (z.B. Linde) besteht zum größten Teil aus Zellulose, die in Gestalt von Zellwänden das Gerüst des Holzes bildet. Weitere Bestandteile sind Polyose und Lignin als Zellversteifung. Die porösen Zellen sind durch Leitungssysteme (Markstrahlen) miteinander verbunden. Jahrringe entstehen und werden zu Splintholz. Zum Mark hin sterben die Zellen ab und bilden das Kernholz.
Holz hat die Eigenschaft, Feuchtigkeit in den Zellwänden (gebundenes Wasser) und in den Zellhohlräumen (freies Wasser) einzulagern. Holzfeuchte durch wechselnde klimatische Einflüsse führt in direkten Bewegungen zu Schwund, Quellung und Rißbildung.

Skulptur

Wohl wissend um die Problematik und Anfälligkeit des Holzwerkstoffs hatten schon die Bildschnitzer versucht, absehbare Materialveränderungen wie Verwerfungen und Rißbildungen bei der Gestaltung ihrer Werke zu reduzieren oder zu umgehen. Unregelmäßigkeiten im Wuchs oder Astansätze wurden ausgeschnitten und durch neues Holz ersetzt. Vorhandene Trocknungsrisse
aber auch Dünnungen und Durchschnitzungen wurden mit Holzspänen oder Werg verschlossen. Um den Materialbewegungen des Holzes in kritischen Bereichen entgegenzuwirken, klebte man vor der Grundierung und Farbfassung textile Faserstoffe flächig auf.

Der spannungsreiche Holzkernwurde bei vielen Skulpturen entfernt. Innenflächen strichen die Bildhauer mit Sperrschichten, zum Beispiel Pech.Um trotzdem eine Allansichtigkeit zuerreichen,verschlossen sie diese rückseitigenHöhlungen wieder mit künstlerischgestalteten Verschlußbrettern. Die innere Materialentfernung diente zudem einer deutlichen Gewichtsreduzierung und ermöglichte eine leichtere Handhabung. Warum und nach welchen Materialkriterien die Bildschnitzer manche Skulpturen höhlten und andere, vergleichbare wiederum nicht, konnte bisher allerdings nicht eindeutig geklärt werden.

Abb.: Im Kopf dieser Skulptur des 16. Jh. treten Trocknungsrisse durch den vorhandenen Holzkern auf
Abb.: Im Kopf dieser Skulptur des 16. Jh. treten Trocknungsrisse durch den vorhandenen Holzkern auf.
Abb.: Gehöhlte Skulptur: Der Holzkern wurde im Bereich des Rückens entfernt; beide Skulpturen stammen aus dem 16. Jahrhundert
Abb.: Massive Skulptur (alle Fotografien und schematischen Zeichnungen: M. Pracher,Würzburg)

Am Beispiel zweier Skulpturen des 16. Jahrhunderts läßt sich

die Unkalkulierbarkeit des Holzwerkstoffs verdeutlichen. Beide bestehen aus Lindenholz und sind annähernd gleich groß. Beide waren für polychrome Farbfassungen konzipiert (bei der linken Figur wurde die Fassungin früherer Zeit vollständig entfernt). Beide stammen aus sakralem Umfeld.

Die eine Skulptur besteht aus einem massiven Holzblock. Der Holzkern ist mittig vorhanden,die Fassung weitgehend ursprünglich.Es sind nur geringe Trocknungsrisse aufgetreten. Die andere Skulptur (rechts daneben) wurde rückseitig komplett gehöhlt. Lediglich im Kopf ist der Holzkern vorhanden. Im Gesicht habensich ausgeprägte Trocknungsrisse gebildet. Geht man von annähernd gleicher Holzqualität aus, bleiben als zustandsbestimmende Faktoren das klimatische Umfeld beziehungsweise die Lagerungsbedingungen der jeweiligenSkulptur.

Trockenperioden oder zuschnell hochgefahrene Heizungen könnten ebenso Ursache der starken Materialbewegung sein wie wechselndeBesucher frequenzen und veränderte Lichtführung durch Entfernung von farbigen Glasfenstern oder Strahlern. Eine Rückführung des geschrumpften Werkstoffs in die ursprüngliche Geschlossenheit ist nicht möglich. Durch Veränderung des Umgebungsklimas kann eine weitere Rißbildung jedoch vermieden werden.

Tafelbild

Holzquellung
Holzschrumpf

Holztafeln als Bildträger unterliegen ebenfalls Quell- und Schrumpfprozessen. Einhergehend mit Vergrößerung, Verkleinerung, Verwerfung und Fugentrennung der Brettverbünde wirken auch diese Bewegungen direkt auf die aufliegende Malschicht. Wie massiv solche Vorgänge sind, ist von der Art und Qualität des Holzes, der Schnittrichtung der Bretter und ihrer Lagerung vor der Verwendung abhängig. Hinzu kommen die Bearbeitung durch den Künstler oder Tafelmacher und eventuelle spätere Eingriffe. Die Lage der Jahresringe zum Holzkern bestimmt die Richtung der Verwölbung bei Quellung und Schwund. Obwohl manche wahrnehmbaren Deformationen im natürlichen Jahresrhythmus stark differieren können ist eine völlige Rückführung nicht mehr möglich, da ein Zellkollaps (Hysterese) im Holz eine dauerhafte Verformung induziert. Quellung hat eine Materialvergrößerung zur Folge,

Abb.: Von oben: Lage eines Bretts mit Tangentialschnitt im Holzstamm; Brettbewegung bei Quellung respektive Schwund
Abb.: Von oben: Lage eines Bretts mit Tangentialschnitt im Holzstamm; Brettbewegung bei Quellung respektive Schwund.

Schrumpfung eine Materialverkleinerung. Malschichten können die Bewegungen des Untergrundes nur geringfügig kompensieren. Bei Quellung treten Risse und Schichtentrennung auf, bei Schrumpfung kommt es zu charakteristischen Stauchungen, die nicht selten zu Ausbrüchen führen. Bei einer Absenkung von siebzig Prozent relativer Luftfeuchtigkeit auf vierzig Prozent kommt es in der Hauptschwundrichtung (im Tangentialschnitt, zum Beispiel bei Fichte) zu einer Dimensionsänderung von zwei Prozent. Die vorderseitige Malschicht verhindert meist das Einwirken der Umgebungsfeuchte. Rückseitig kann in vollem Umfang Feuchtigkeit aufgenommen und abgegeben werden. Dieses Ungleichgewicht kann zu dauerhaften Verwölbungen von Tafelbildern führen. Zur Verdeutlichung: Ein ein Meter breites Pappelbrett mit Tangentialschnitt und aufliegender, dichter Malschicht liegt plan auf einem Tisch. Würde die relative Luftfeuchtigkeit um zehn Prozent abgesenkt und alle Schrumpfvorgänge fänden ausschließlich in der unbemalten, freien Holzrückseite statt, würde sich die Tafel mittig um zehn Zentimeter Höhenunterschied krümmen.

Parkettierungen

Mit diesem Wissen versuchten die Künstler mit Hilfe von rückseitigen Sperrschichten oder mechanischen Stabilisierungen den Bewegungen entgegenzuwirken. Bei bereits aufgetretenen Verwerfungen wurden und werden Holztafeln mit Begradigungskonstruktionen versehen.

Abb.: Die Holztafel wurde zur Begradigung stark gedünnt

In zahlreichen Variationen wie aufgeleimten oder beweglichen Parketten, Klötzchen, Fräsungen mit Einschubleisten, ja selbst mit aufgeschraubten Metallrahmen versuchte man, den Holzträger in die Ebene zu zwingen, die natürlichen Bewegungen zu unterbinden. Zur Unterstützung hobelte man die Tafeln oft rückseitig ab. Ausgesprochen problematisch ist in diesem Zusammenhang natürlich die früher gerne vorgenommene Praxis der Spaltung von beidseitig bemalten Altartafeln.

Um dem ästhetischen Diktat einer planen Oberfläche genüge zu tun, dünnte man manche Tafeln fast bis auf Furnierstärke und klebte sie flächig auf vermeintlich verwerfungsfreie Träger wie Pressspan oder auch Leinwand. Eine Dünnung des Bildträgers erhöht jedoch auch die Anfälligkeit des Holzes gegenüber jeglichen klimatischen Schwankungen.

Abb.: Beispiel einer aufgeleimten Parkettierung, die mit beweglichen Einschubleisten ausgestattet ist alt
Abb.: Abgenommene Parkettierung mit Rückseitenschutz aus Folie, Befestigung durch Federklammern im Rahmen

Da sich Holzbewegungen nicht einschränken lassen, treten als Resultat dieser Zwangsbegradigungen nicht selten gravierende Folgeschäden in Träger und Malschicht auf. Es entstehen neue Riß- und Bruchformationen, es kommt zu Stauchungen

 und Erhebungen in der Malschicht. Die Stützkonstruktionen markieren sich vorderseitig (sog. Waschbrettbildung). Der Preis der Begradigung ist oftmals eine starke Neuschädigung des Kunstwerks und ein Verlust an Authentizität. Nachdem die Gefahren einer stützenden Fremdkonstruktion weitreichend bekannt sind, akzeptiert man heute eher die materialbedingten Verwerfungen von Holztafeln. Parkettierungen können abgenommen werden. Dieser Eingriff bedeutet für das Tafelbild eine erneute, enorme Belastung, die man dem Objekt nur nach Abwägung aller Faktoren zumutet: Allgemeinzustand, Häufigkeit und Stärke der Materialbewegungen im klimatischen Umfeld, Veränderung des klimatischen Umfelds, mögliche Folgeschäden und dergleichen. Da durch Entfernung der Stützkonstruktion das Tafelbild wieder seine natürlichen Bewegungen durchführen kann, genügt eine Fixierung durch Federklammern an signifikanten Punkten im Rahmen. Auf der Vorderseite wird der Rahmenfalz der Tafel- Krümmung angepasst.

Weitere Informationen und individuelle Beratung unter pracher@kunst-gutachter.de

Da sich Holzbewegungen nicht einschränken lassen, treten als Resultat dieser Zwangsbegradigungen nicht selten gravierende Folgeschäden in Träger und Malschicht auf. Es entstehen neue Riß- und Bruchformationen, es kommt zu Stauchungen und Erhebungen in der Malschicht. Die Stützkonstruktionen markieren sich vorderseitig (sog. Waschbrettbildung). Der Preis der Begradigung ist oftmals eine starke Neuschädigung des Kunstwerks und ein Verlust an Authentizität. Nachdem die Gefahren einer stützenden Fremdkonstruktion weitreichend bekannt sind, akzeptiert man heute eher die materialbedingten Verwerfungen von Holztafeln. Parkettierungen können abgenommen werden. Dieser Eingriff bedeutet für das Tafelbild eine erneute, enorme Belastung, die man dem Objekt nur nach Abwägung aller Faktoren zumutet: Allgemeinzustand, Häufigkeit und Stärke der Materialbewegungen im klimatischen Umfeld, Veränderung des klimatischen Umfelds, mögliche Folgeschäden und dergleichen. Da durch Entfernung der Stützkonstruktion das Tafelbild wieder seine natürlichen Bewegungen

Abb.: Der Rahmenfalz ist der Krümmung der Tafel angepasst

durchführen kann, genügt eine Fixierung durch Federklammern an signifikanten Punkten im Rahmen. Auf der Vorderseite wird der Rahmenfalz der Tafel- Krümmung angepasst.

Klimatisches Umfeld

Mehr noch als bei Leinwandgemälden muss bei der Wahl des Präsentationsortes auf gleichbleibende klimatische Bedingungen (Temperatur und Luftfeuchtigkeit) geachtet werden. Auch hier gilt: nicht zu trocken und nicht zu warm stellen beziehungsweise hängen. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte 58 Prozent nicht unterschreiten, die Temperatur möglichst nicht höher als 18 bis 20°C sein. Häufige Veränderungen des klimatischen Umfelds gilt es dringend zu vermeiden, da die Umgebungsfeuchte mit der Materialfeuchte, und so mit der Holzbewegung in direkter Korrelation steht. Die Skulptur oder das Tafelbild sollte also nicht in direkter Nähe einer Heizung, eines Kamins oder der Haustür, der Balkontür und dem Fenster stehen respektive hängen. Außenwände sind in der Regel feuchter und kälter als Innenwände, ein Tafelbild sollte hier nicht platziert werden. Bei zu hoher Luftfeuchtigkeit droht die Gefahr der Schimmelbildung. Während der Heizperiode muss der Raumluft zusätzlich Feuchtigkeit zugeführt werden. Da Wasserschalen oder Feuchtpflanzen kaum ausreichen, sollten unbedingt Luftbefeuchtungsgeräte eingesetzt werden. Zur Klimakontrolle bietet der Fachhandel Meßgeräte für Temperatur (°C) und Luftfeuchte (% rF) an (siehe AZ24/2004, S. 36). Die komplexen Zusammenhänge der klimatisch bedingten Materialbewegungen und den daraus resultierenden Schadensphänomenen werden in diesem Rahmen nur begrenzt beleuchtet. Unerwähnt bleiben hier auch die Schädigungen durch Mikroorganismen (z.B. Pilze), Holzschädlinge (z. B. Fraßkäfer) oder oxidative Prozesse, da diese ein Kapitel für sich darstellen.


Absolute Luftfeuchtigkeit – Relative Luftfeuchtigkeit

Luft hat die Eigenschaft, Feuchtigkeit aufzunehmen. Wird ein Sättigungspunkt überschritten, entsteht Niederschlag in Form von flüssigem Wasser. Die maximale Menge des aufnehmbaren Wassers verändert sich mit der Temperatur der Luft. So kann warme Luft wesentlich mehr Feuchtigkeit als kalte binden, bevor eine Sättigung (100% rF) eintritt. Relative Luftfeuchtigkeit (rF in %) ist das prozentuale Verhältnis der bei einer bestimmten Temperatur maximal möglichen Aufnahme von Wasser zu der tatsächlich vorhandenen Grammzahl an Wasser. Zur Verdeutlichung: Bei einer Raumtemperatur von 25° C kann 1 m3 Luftmaximal 24 g Wasser aufnehmen. Bei 15° C nur noch maximal 12,5g.
Bei den Idealwerten für Holz von 20° C und 58 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit enthält 1 m3 circa 10 g Wasser. Wird die Temperatur ohne Zufeuchtung auf 25° C erhöht, so sinkt die relative Luftfeuchtigkeit auf 42 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit. Bei einer Temperaturerhöhung entzieht die Luft dem Holz Feuchtigkeit. Die relative Luftfeuchtigkeit sinkt. Die Raumfeuchte muss erhöht werden. Bei Temperatursenkung wird Feuchtigkeit abgegeben. Die relative Luftfeuchtigkeit steigt. Die Raumluft muss entfeuchtet werden.


Dr. M. Pracher